Tag der Toten – día de los muertos
Mexikaner haben viele Gründe zum Feiern, aber ein Grund ist ganz besonders bizarr und mittlerweile international bekannt. Die Rede ist vom sogenannten „día de los muertos“ – der Tag der Toten. In Deutschland ist der Tod doch eher ein Tabuthema. Wie ist es daher möglich, dass ein so trauriges Ereignis ein Grund zum Feiern sein kann?
Nun, dies wollen wir dir an dieser Stelle ein bisschen näher erläutern und wer weiß, vielleicht feierst auch du in Zukunft den Tag der Toten gar mit eigenem Altar zu Hause, wie es viele Mexikaner tun.
Für viele Menschen auf dieser Welt ist der Tod etwas trauriges. Man verliert einen geliebten Menschen und muss sich daher unweigerlich für immer von ihm trennen. Dies schmerzt und ist unverständlich, gehört jedoch zum Leben wie die Geburt. Der Tod wird daher als etwas Negatives wahrgenommen.
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In Mexiko ist der Tod Teil des Lebens
Dies bedeutet nicht, dass Mexikaner nicht traurig sind wenn ein Verwandter oder Freund stirbt, aber sie glauben fest daran, dass der Tod eine weitere Phase des Lebens ist, in der sich die Verstorbenen ausruhen und frei von jeglichen irdischen Bedürfnissen oder Sorgen ihr „Nachleben“ genießen.
Mario Benedetti, ein uruguayischer Schriftsteller, pflegte zu sagen: „Schließlich ist der Tod ein Symptom dafür, dass es Leben gab“ und die Mexikaner wissen, dass der Tod das Einzige ist, was in diesem Leben sicher ist und niemand ihm entkommen kann.
Generell glaubt man, dass die Seelen der Toten solange erhalten bleiben, wie man sich an sie erinnert. Der Día de Muertos ist daher der Tag zur Erinnerung, sodass die Seelen weiter existieren können.
Wie alles begann…
Eine der ältesten Traditionen in Mexiko ist es den Namen der Toten zu ehren. Sie ist älter als 600 Jahre und wurde schon vor der Kolonisierung durch das spanische Volk gepflegt. Früher feierte man den Tag der Toten jedoch ganz anders als heutzutage.
In der Vergangenheit praktizierten die alten Zivilisationen in Mexiko wie Mayas, Totonacas, Zapoteken und vor allem Azteken aufwendige Rituale, um sich an die Toten zu erinnern und um ihnen zu helfen ihr endgültiges Ziel zu erreichen. Für die Azteken wurde die Seele des Verstorbenen je nach Todesart in eines der vier bestehenden Paradiese geschickt.
Die vier Paradiese
Omeyocan bzw. Tonatiuhichan: Ort oder Haus des Sonnengottes Huitzilopochtli. Gefallene im Krieg oder Frauen, die bei einer Geburt verstarben kamen in dieses Paradies. Nach vier Jahren wurden ihre Seelen dann in wunderschöne Vögel wie Kolibris oder Quetzales gewandelt.
Tlalocan: Ort oder Haus des Wassergottes Tlaloc und der Göttin des Mais Chicomecoatl. An diesen Ort kamen die Toten, die ertrunken oder auf anderer Weise aufgrund von Wasser verstorben sind. Es war ein Ort der Ruhe und des Reichtums.
Chichihuacuauhco: An diesem Ort waren die ungeborenen und neugeborenen Babies. Hier gab es einen Baum, der Milch produzierte, um sie zu ernähren. Die Seelen der Kleinen sollten auf die Erde zurückkommen, wenn die menschliche Rasse im Begriff war auszusterben.
Mictlán: Hier ruhten der Herr des Todes Mictlantecuhtli und die Dame des Todes Mictecacihuatl. Die Seelen der Verstorbenen durften hier ruhen und befreit werden. Dieser Ort war nur durch einen natürlichen Tod zu erreichen.
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Die Herausforderung Mictlán zu erreichen
Mictlán zu erreichen war schwierig, denn es war das einzige Paradies, in dem die Seelen die neun Höllen des Mictlán durchqueren mussten. Am Ende der Reise sollten die Seelen von allem gereinigt beziehungsweise befreit sein.
Wenn nun jemand starb, wurde die Person begraben und man machte ihr Geschenke oder man versuchte mit Hilfe von Ritualen dem Toten zu helfen das Paradies auf sicherem Wege zu erreichen.
In diesen Ritualen spielten Speisen, Getränke, Töpfe, Dekorationsgegenstände wie Jadesteine, handgefertigte Statuen von Menschen oder Göttern, Kopal (Weihrauch), Messer, Pflanzen, Samen, Musikinstrumente und all die Dinge, die für den Toten während seines irdischen Lebens wichtig waren, eine große Rolle.
Auch alles, was beim Übergang helfen könnte, wurde dem Toten geschenkt beziehungsweise für ihn geopfert.
Zum Beispiel waren Xoloitzcuintles sehr wichtig. Wie in unserem Artikel zu Xoloitzcuintles zu lesen, waren diese Hunde der Begleiter auf dem Weg ins Reich der Toten. Die unbehaarten Hunde galten als Führer und Beschützer der Seele des Toten und sie waren dafür verantwortlich, auf der Reise Licht zu spenden und zu vermeiden, dass die Seele auf dem Weg verloren geht.
Diese Hunde mussten daher geopfert werden, um sie neben der zu schützenden Person zu begraben und damit den gemeinsamen Weg ins Reich der Toten zu ebnen.
Tag der Toten im Wandel der Zeit
Im „Tonalpohualli“, dem heiligen, zweihundertsechzigtägigen Kalender der Azteken, gab es mindestens sechs Feste, die den Toten gewidmet waren. Das größte Fest war im Monat August und dauerte dann gleich den ganzen Monat. Daran lässt sich leicht erkennen, wie wichtig damals schon diese Tradition war.
Außerdem war es Brauch, die Toten zu rufen, um sie um Hilfe zum Beispiel bei der erfolgreichen Jagd, dem Krieg, dem Anbau von Pflanzen und auch bei Geburten oder Ehen zu bitten. Grundsätzlich waren die Verstorbenen immer noch aktiv und wichtiger Bestandteil der Gemeinschaft, auch wenn sie nicht physisch anwesend sein konnten.
Mit der Ankunft der Spanier im sechzehnten Jahrhundert, änderte sich das alltägliche Leben der Azteken und anderer indigener Gruppen, sodass auch ihre Bräuche und Traditionen beeinflusst wurden.
Den Spaniern war es wichtig, die eingeborenen Völker zur katholischen Religion zu bekehren. Dies war allerdings keine leichte Aufgabe, da sich die Völker dagegen wehrten. Entsprechend änderte man die Strategie und versuchte die Traditionen anstatt radikal nur langsam anzupassen. So legten sie im Falle Día de Muertos ganz einfach das Datum der Feierlichkeit, basierend auf dem katholischen Gedenktag Allerheiligen, auf den ersten (día de Todos los Santos) und zweiten (día de los fieles difuntos) November fest.
Damit änderte sich dann auch die Art und Weise wie die Toten beerdigt wurden. Von den ursprünglichen Opfergaben und Geschenken blieb letztendlich nicht mehr viel über und man bestattete schließlich die Toten so, wie es die Spanier taten.
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Heute sieht das Fest anders aus und es ist vor allem kommerzieller geworden. Im Jahr 2008 erklärte die UNESCO das Fest zum immateriellen Kulturerbe. Die Tradition spiegelt den großen Stolz der Mexikaner auf ihr Land wider, sodass der „día de muertos“ heutzutage international bekannt ist und somit mexikanische Kultur und ihre Wurzeln in die Welt transportiert.
Der Tag der Toten ist farbenfroh und die Mexikaner legen sich ins Zeug durch wochenlange Vorbereitung diesen Tag zu etwas Besonderem zu verwandeln. Dadurch wird dieser Tag auch im mexikanischen Ausland immer bekannter und gleichzeitig beliebter.
Die Friedhöfe öffnen ab dem 28. Oktober länger, damit die Menschen die Gräber ihrer Lieben mit Blumen, Kerzen und Geschenken schmücken können.
In der Regel wird nur noch einer der beiden Feiertage, nämlich der zweite November gefeiert, obgleich der erste November durch das Gedenken an die verstorbenen Kinder und Babies nicht weniger wichtig ist.
Traditionell besucht die gesamte Familie den Friedhof, um Zeit mit den Menschen zu verbringen, die sie lieben und um den Verstorbenen zu symbolisieren, dass sie in ihren Herzen immer noch wichtig sind. Normalerweise wird für die Seelen der Toten gebetet, man erzählt sich Geschichten, die an den Verstorbenen erinnern und bringt Musik mit.
Oft hört man auf dem Friedhof Mariachi oder das Trio (Gruppe von drei Personen, die Gitarren spielen) einige der repräsentativsten mexikanischen Lieder, oder die Lieder, die den Verstorbenen im Leben wichtig waren, spielen.
Diejenigen, die weit von den Friedhöfen, auf denen ihre Angehörigen begraben liegen, entfernt leben, bauen für den Feiertag Altare auf, die entweder eine einzelne Person ehren oder als Gemeinschaftsaltar mehreren Verstorbenen gleichzeitig dienen können.
Die wichtigsten Elemente für den Tag der Toten
Altare
Altare sind das wichtigste Element des Feiertags und oft arbeitet die ganze Familie zusammen, um sie nach ihren Vorstellungen zu bauen und zu dekorieren. Das Ziel ist Opfergaben oder Geschenke zu machen und sich an die geliebten, verstorbenen Menschen zu erinnern.
Die Altare haben meist mehrere Ebenen. Traditionell existieren Altare mit zwei (stellt Himmel und Erde dar), drei (stellt Erde, Hölle und Himmel dar) oder sieben Ebenen, die symbolisch für den Weg zum Frieden der Seele stehen. Jede Ebene ist mit Tischdecken und Papel Picado (Scherenschnitte) dekoriert.
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Auf jeder Ebene liegen Geschenke und symbolische Objekte, die für den Verstorbenen oder die Familie wichtig waren beziehungsweise sind, wie das Foto der Person oder der Personen, die geehrt werden. Außerdem werden oft Kerzen, Wasser, das Lieblingsessen, Getränke, Süßigkeiten, Spielzeug, Zigaretten, Früchte, Blumen, Salz oder Weihrauch auf den Altar gelegt.
Pan de Muerto – Brot des Todes
Das Brot der Toten ist ein rundes, ziemlich süßes Brot. Verziert ist es mit kleinen Knochen aus Brotteig und mit Zucker oder manchmal mit Sesam.
Die Verzierung ist so gestaltet, dass sie eine doppelte Bedeutung hat. Die Knochen sind in einer Kreuzform angeordnet. Sie sollen zum einen als Symbol für die Toten stehen und zum anderen soll das Kreuz Jesus Christus repräsentieren. Der Zucker beziehungsweise Sesam stellt die Tränen der Seelen dar, die keine Ruhe gefunden haben.
Es ist ein spezielles Brot, das in der Rezeptur Orangen, Orangenblüten und Anis enthält.
Tage oder sogar Wochen vor dem zweiten November ist es schon in den Bäckereien erhältlich und es wird als Geschenk oder Opfergabe für die oben erwähnten Altare verwendet. Natürlich wird es aber auch einfach aufgrund des köstlichen Geschmacks zum Verzehr gekauft.
Flor de Cempasuchitl – die mexikanische Ringelblume oder auch aztekische Ringelblume
Am Tag der Toten und den Tagen drum herum werden riesige Mengen Blumen gekauft, um Gräber und Altare zu schmücken.
Die Menschen kaufen Rosen, Sonnenblumen, weiße Wolkenblumen, aber die meistverkaufte Blume ist „La flor de cempoalxóchitl o cempasuchitl“. Hierbei handelt es sich um eine orange-gelbe Ringelblume, die sehr aromatisch und endemisch in Mexiko ist.
Diese Blume soll die Sonne darstellen, die der Ursprung von allem ist. Sie hilft, die Seelen mit ihrem Duft auf dem Weg zurück zur Erde anzuziehen und zu führen.
Die Pflanze ist auch unter den Namen Cempoal oder flower of the dead bekannt.
Kopal und Kerzen
Am Tag der Toten ist es üblich tausende Kerzen auf Gräbern und Altaren anzuzünden.
Sie werden mit der Absicht erleuchtet, den Seelen beim Empfang am Día de Muertos Licht zu spenden.
In der Luft liegt außerdem ein charakteristisches Aroma von Kopal (ein Harz), das als Weihrauch verwendet wird.
Auch dieses Aroma soll die Seelen auf die Erde bringen und verhindern, dass sich böse Geister nähern.
Calaveritas de azúcar (Zucker-Schädel)
Die beliebten, schädelförmigen Süßigkeiten sind aus Zucker, aber es gibt auch andere Varianten wie zum Beispiel aus Schokolade, aus Amaranth oder Gelatine. Im Allgemeinen werden sie auf lokalen Märkten oder Tianguis (Straßenmärkte) verkauft.
Calaveritas sind mit bunten Mustern verziert und haben meistens ein Schild auf der Stirn mit dem Namen der Person, der man sie geben möchte. Oft wird auch der Service angeboten die Calaveritas zu personalisieren.
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Die mexikanischen Kinder sind immer sehr aufgeregt, wenn ihre Eltern diese Süßigkeiten mit ihren Namen darauf kaufen und sie die kleinen Schädel vernaschen dürfen.
Die Zuckerschädel haben ihren Ursprung im Tzompantli. Dort reihten die mesoamerikanischen Indianern perforierte Schädel der geopferten Menschen im Namen ihrer Götter auf. Mit der Ankunft des hispanischen Volkes wurde dieses Ritual jedoch geändert und sie begannen die echten Schädel durch Zucker-Schädel zu ersetzen.
Calaveras Literarias (Literarische Schädel)
Die Calaveras Literarias sind humorvolle, satirische Verse, die über das Leben einer Person erzählen. Der Tod wird in diesen Schriften als eine der Hauptfiguren beschrieben und meistens scherzt er mit der Person, über die diese Calavera literaria erzählt, bevor er sie am Ende einer jeden Calavera Literaria mit auf den Friedhof nimmt.
Schon in der Grundschule lernen die Kinder diese Tradition kennen. Einige Lehrer fordern die Kinder sogar auf Calaveras zu schreiben, um an Wettbewerben teilzunehmen. Die meisten Kinder schreiben dann über bekannte Persönlichkeiten wie Politiker oder Schauspieler, die sie inspirierend finden. Oft werden aber auch Calaveras Literarias über für die Kinder wichtige Menschen geschrieben.
Beispiele:
Calaveritas de azúcar, De azuquitar y canela, No me vayas a llevar Aunque no vaya a la escuela. | Schädelchen aus Zucker, aus Zückerchen und Zimt, hol‘ mich nicht auch wenn ich nicht zur Schule gehe. |
Ya va a ser día de muertos, construyamos un altar, porque si no lo hacemos, la calaca al panteon nos va a llevar. | Schon wird es der Tag der Toten sein, bauen wir einen Altar, weil wenn wir das nicht tun, wird uns der Tod zum Friedhof bringen. |
Catrinas
Zu Beginn des Jahrhunderts gab es Lithographien von José Guadalupe Posada, die in der Zeitung veröffentlicht wurden.
Jene Lithographien waren Skelette, die elegante Kleider trugen und die mexikanische High Society darstellen sollten. Diese versuchte sich zu der Zeit als wohlhabende Europäer auszugeben. Später wurde dieses Symbol als Symbol für den Dia de Muertos genommen und stellt heutzutage die beliebteste und auch bekannteste Figur dar.
Viele Menschen auf der ganzen Welt verkleiden sich als Catrina für Parties. Dabei bemalen sie ihre Gesichter mit bunten Farben und verwenden Kunstdiamanten, um dem Make-up Glanz zu verleihen.
Wenn du mehr zu Catrina wissen möchtest, dann schau dir hier unseren Artikel darüber an.
Don´t stop the Party and go to the Parade
In vielen mexikanischen Großstädten organisiert die Regierung riesige Paraden, bei denen man Menschen auf dekorierten Wagen mit Catrina-Kostümen und Musik sehen kann.
Außerdem kannst du Mojigangas (Große Marionetten in menschlicher Gestalt, die meistens aus Karton hergestellt sind) und Menschen in traditioneller, mexikanischer Kleidung sehen, während sie Tricks auf Pferden zeigen.
Gerne verkleiden sich die Menschen auch als Azteken oder Mayas, die alte Rituale tanzen und darstellen.
Am Abend hüllt sich dann der Himmel in allen Farben durch aufwändige Feuerwerke.
Diese Paraden finden meist im Zentrum der Stadt statt und sind eine absolute Ausnahmesituation, die Spaß für Groß und Klein bedeutet.
Zusammenfassend basiert diese mexikanische Feier auf dem Kreislauf des Lebens. Sie erinnert uns daran, wie endlich wir sind, und verrät uns, dass der Tod nur ein Teil des Lebens ist und wir ihn feiern sollten. Der Tod nimmt zwar den Körper, aber die Seele bleibt so lange erhalten, wie die auf der Erde zurückgebliebenen Menschen den Verstorbenen erinnern und im Herzen behalten.